600 Kunden extrem benachteiligt

13.12.2011 08:00

Kunden sollten Abwassergruben noch in diesem Jahr entleeren lassen. Gebührensprung droht.

Hans-Dieter Ludwig, Werkleiter des Entwässerungsbetriebs, sprach mit Birgit Kummer über die Abwasserkosten.

Das Thüringer Kommunalabgabegesetz regelt, wie die Stadt ihre Abwassergebühren berechnen muss. Alle vier Jahre wird neu verhandelt. Zum 31.12. läuft die aktuelle Kalkulation aus, der Stadtrat muss eine neue Gebührensatzung beschließen.

Warum es Ärger gibt, erklärt der Leiter des Entwässerungsbetriebs, Hans-Dieter Ludwig.

Der Stadtrat diskutiert erbittert. Warum schlägt das Thema Abwasser solche Wellen?

Weil wir eine neue Kalkulation brauchen und die aktuelle Satzung laut Kommunalaufsicht mangelhaft ist. Gebührendebatten sind oft turbulent, aber diesmal gibt es richtig Stress.

Wer macht ihn?

Die Kommunalaufsicht wies uns nachdrücklich auf verwaltungsrechtliche Mängel in der gegenwärtigen Entwässerungssatzung hin. Sie hat ultimativ gefordert, diese Mängel abzustellen. Es geht um zeitweise genutzte Grundstücke wie Gärten, die in die öffentlich-rechtliche Entsorgung einzubeziehen sind. Das war bisher in Erfurt nicht der Fall.

Was passiert jetzt?

Der Anteil der Erfurter, bei denen Abwasser mit Hilfe von Spezialfahrzeugen per Achse entsorgt wird, steigt deutlich an. Zurzeit wird die Abwassergebühr für alle nach dem Frischwassermaßstab bemessen, also nach der Menge des vom Wasserversorger bezogenen Trinkwassers - unabhängig davon, ob der Kunde am Kanalnetz angeschlossen ist oder per Achse entsorgt wird. Künftig wäre der konkrete Aufwand für die Entsorgung Bemessungsgrundlage.

Das bedeutet ...

... unterschiedliche Gebühren je nach Art der Entsorgung. Für Haushalte, die an Kanal und Kläranlage angeschlossen sind, würde weiter der Frischwassermaßstab gelten. Wo per Achse entsorgt würde, gäbe es eine Beseitigungsgebühr für Abwasser aus Sammelgruben oder für Fäkalschlamm aus Grundstückskläranlagen.

Was bekommt der Stadtrat auf den Tisch?

Eine neue Satzung, untersetzt mit Gebührenkalkulationen.

Wer eine Sammelgrube hat, wird künftig benachteiligt?

Ja. Während die Betreiber von Grundstückskläranlagen mit Überlauf durch den Tarifwechsel nicht schlechter gestellt würden, sähe das bei Sammelgruben anders aus. Wenn man eine abflusslose Abwassersammelgrube sachgerecht betreibt, muss die Menge des bezogenen Trinkwassers in etwa der Menge des per Achse abgefahrenen Abwassers entsprechen. Ein Gebührensprung um den Faktor sieben.

Wie viele Kunden wären betroffen?

Von den rund 28 000 Abwasserkunden betreiben zwischen 600 und 700 Sammelgruben. Also werden zwei Prozent künftig benachteiligt.

Gibt es Alternativen?

Die Beibehaltung der "alten" Veranlagungsform war ausgeschlossen. Wir haben versucht, von der Kommunalaufsicht grünes Licht für eine Bezuschussung der extrem betroffenen Härtefälle zu erhalten. Doch die wurde mit dem Hinweis auf die Grundsätze des Abgaberechtes verweigert. Als einzige verwaltungsrechtlich saubere Option bleibt das zeitliche Vorziehen der kanalseitigen Erschließung von Wohngebieten, in denen die Sammelgrube noch die typische Entsorgungsvariante ist.

Wo wäre das?

Betroffen wäre die Trinkwasserschutzzone (wie Möbisburg-Rhoda), in der aus wasserrechtlichen Gründen keine andere Entsorgungsvariante erlaubt ist. Aber auch Wohngebiete, wie die Peterbornsiedlung, die Sulzer Siedlung. Diese Möglichkeit haben wir dem Stadtrat in der "Vorlage zur Fortschreibung des Abwasserbeseitigungskonzeptes" vorgeschlagen, sie wurde einstimmig beschlossen.

Also ist die Aussicht klar?

Schön wäre es. Der exorbitanten Mehrbelastung einiger Kunden sollte durch Alternativvorschläge des Stadtrates entgegengewirkt werden. Da diese Vorschläge aber aus der Sicht der Juristen verwaltungsrechtlich bedenklich sind, musste der Oberbürgermeister diese Beschlusslage beanstanden. Zurzeit ist nicht auszuschließen, dass die Kommunalaufsicht die mit dem Verwaltungsrecht konforme Satzung gegen das Votum des Stadtrates durchsetzt.

Und dann?

Als städtischer Beamter bin ich verpflichtet, gängiges Verwaltungsrecht durchzusetzen. Andererseits wäre ich froh, wenn wir die betroffenen Kunden entlasten könnten. Da aber niemand der Kommunalaufsicht vorgreifen kann, empfehle ich Betroffenen, in diesem Jahr noch die Entsorgung ihrer Kläranlage oder Abwassersammelgrube zum bisherigen Tarif. Zur sauberen Abgrenzung des Tarifes sollte man die eigene Wasseruhr zum 31.12. ablesen. Das wird der Stichtag sein, falls das Landesverwaltungsamt als Kommunalaufsicht eine Tarifänderung durchsetzt.