Veränderungen bei der Veranlagung der Abwassergebühren in der Landeshauptstadt Erfurt

29.06.2013 08:00

Im Amtsblatt vom 28. Juni 2013 wurden wichtige Änderungen im entwässerungsrelevanten Satzungsrecht der Landeshauptstadt Erfurt amtlich bekannt gemacht.

 Damit treten rückwirkend zum 1. Januar 2012 die nachfolgenden Veränderungen in Kraft:

  • "Neufassung der Satzung über die Entwässerung der Grundstücke, den Anschluss an die gemeindliche Abwasseranlage und deren Benutzung in der Stadt Erfurt (Entwässerungssatzung)"
  • "Neufassung der Satzung über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung der öffentlichen Abwasserbeseitigungseinrichtung und abwasserspezifischer Verwaltungsgebühren der Landeshauptstadt Erfurt (Abwassergebührensatzung)"
  • "Ablösung des entwässerungstechnischen Sondersatzungsgebietes Güterverkehrszentrum (GVZ) in der Landeshauptstadt Erfurt"
  • "Richtlinie zur Härtefallregelung bei der grundstücksbezogenen Abwasserentsorgung (Grundstücke mit abflusslosen Gruben) zum Schutze der Fließgewässer und des Grundwassers in der Landeshauptstadt Erfurt"

Für den Erfurter Bürger und Abwasserkunden sind mit dieser Veränderung eine Reihe von Fragen verbunden. Wir möchten versuchen, nachfolgend auf einige dieser Fragen Antworten zu geben. Sicher werden wir hier und heute nicht alle entstehenden Fragen erschöpfend beantworten können. In diesem Falle können Sie sich wie gewohnt an die bekannten Service- und Auskunftsstellen des Entwässerungsbetriebes wenden.

1. Warum wurden diese Änderungen notwendig?

Durch die Aktualisierung der verwaltungsrechtlichen Rahmenbedingungen (Novelle des Thüringer Wassergesetzes und Erlass der Thüringer Kleinkläranlagenverordnung) wurde nunmehr nochmals klargestellt, dass eine Eingrenzung der Abwasserbeseitigungspflicht auf dauerbewohnte Grundstücke, wie sie bisher gemäß des städtischen Satzungsrechtes in Erfurt praktiziert wird, rechtlich nicht möglich ist.
Die Abwasserbeseitigungspflicht ist unteilbar. Dem jeweiligen kommunalen Aufgabenträger (hier: der Entwässerungsbetrieb der Landeshauptstadt) des Entsorgungspflichtigen (hier: Landeshauptstadt Erfurt) obliegt die sachgerechte Entsorgung jedweden Abwasseranfalles im eigenen Hoheitsgebiet. Eine Differenzierung nach „dauerhaft“ oder „saisonal“ genutzten Grundstücken ist somit nicht zulässig und ist von der Kommunalaufsichtsbehörde zu beanstanden.
Dementsprechend wurde die aktuelle Entwässerungssatzung der Stadt, in der saisonal genutzte Grundstücke vom Anschlussrecht an die öffentliche Abwasserbeseitigungseinrichtung explizit ausgeschlossen werden, vom Thüringer Landesverwaltungsamt bereits förmlich beanstandet und daraus resultierend geändert.

Die Beibehaltung der nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz kalkulierten „Solidargebühr“, wie sie nach 1993 in Thüringen ausschließlich in Erfurt praktiziert wurde, ist somit verwaltungsrechtlich nicht mehr erlaubt.
Es musste zwingend die Einführung einer zusätzlichen und nach dem Äquivalenzgrundsatz kalkulierten Beseitigungsgebühr für Fäkalschlamm aus Grundstückskläranlagen und Abwasser aus Abwassersammelgruben erfolgen.

Der Versuch des Stadtrates, dennoch die "Solidargebühr" beizubehalten, wurde letztendlich nach eineinhalbjährigem Rechtsstreit vom Verwaltungsgericht abgewiesen.

Im Ergebnis dieser Gerichtsentscheidung werden nunmehr die o. a. Satzungsänderungen rückwirkend zum 1. Januar 2012 in Kraft gesetzt.

2. Warum erfolgt die Veranlagung rückwirkend?

Der Entwässerungsbetrieb hatte eine verwaltungsrechtskonforme Gebührenkalkulation termingerecht zur Entscheidung vorgelegt. Mit Stadtratsbeschluss vom 3. November 2011 wurde diese Gebührenkalkulation inkl. der vorgelegten Satzungen nicht beschlossen. Ziel war es, die "Solidargebühr" fortzuführen.

Mit Urteil des Verwaltungsgerichtes vom 6. Februar 2013 wurde die Rechtmäßigkeit der Satzungen festgestellt. Am 24. April 2013 hat der Stadtrat diese Satzungen bestätigt.

Aufgrund der Vorankündigungen im Amtsblatt Nr. 20 vom 30. Dezember 2011 ist die rückwirkende Inkraftsetzung der Satzungen rechtskonform.

3. Warum werden Änderungsbescheide erlassen?

Solange die Entscheidung der verwaltungsrechtlichen Abklärung der eventuellen Möglichkeit, die "Solidargebühr" fortzuführen, vom Verwaltungsgericht noch nicht getroffen war, konnten die neu kalkulierten Abwassergebühren durch den Entwässerungsbetrieb nicht erhoben werden. Auf der Basis der zeitlich nicht befristeten Abwassergebührensatzung mussten noch die "alten" Gebührensätze veranlagt werden.
Nachdem nunmehr diese Entscheidung gefallen und das einschlägige Satzungsrecht rückwirkend bestätigt ist, müssen die bisherigen Gebührenbescheide geändert werden. Dabei werden die bisher gezahlten Abwassergebühren im neuen Gebührenbescheid berücksichtigt.

4. Was ändert sich mit der neuen Abwassergebührensatzung für den Abwasserkunden?

Während die Veranlagung der Niederschlagswassergebühr unverändert bei 0,68 Euro/m² bleibt, sind rückwirkend ab dem 01.01.2012 nachfolgende Gebührensätze und Veranlagungsmodalitäten gültig:

a) Volleinleiter (am öffentlichen Kanal und Kläranlage angeschlossene Grundstücke)

Schmutzwassergebühr: 1,99 Euro/m³

Die Schmutzwassergebühr reduziert sich von 2,07 Euro/m³ auf 1,99 Euro/m³, das heißt, hier ist bei gleichem Wasserverbrauch eine Gutschrift zu erwarten.

b) Einleitungen in Teilortskanalisationen (Einleitung des in Grundstückskläranlagen vorgereinigten Abwassers in eine öffentliche Teilortskanalisation)

Geminderte Schmutzwassergebühr: 0,78 Euro/m³

Der Gebührenmaßstab bleibt die bezogene Frischwassermenge. Hinzu kommt die Beseitigungsgebühr für die Entsorgung von Fäkalschlamm aus Grundstückskläranlagen (siehe d).

c) Abwassersammelgruben

Beseitigungsgebühr (Abwasser): 14,53 Euro/m³

Die Veranlagungsgrundlage ist nicht mehr die bezogene Frischwassermenge, sondern die real per Achse abgefahrene Menge an Abwasser. Die Entsorgung erfolgt in der Regel nach Tourenplan.

d) Grundstückskläranlagen (Mechanische oder biologische Kleinkläranlagen)

Beseitigungsgebühr (Fäkalschlamm): 25,30 Euro/m³

Die Veranlagungsgrundlage ist nicht mehr die bezogene Frischwassermenge, sondern die real per Achse abgefahrene Menge an Fäkalschlamm. Die Entsorgung erfolgt in der Regel einmal jährlich.

5. Was kann ich als Betreiber einer Abwassersammelgrube gegen eine Mehrbelastung  durch die neue Beseitigungsgebühr tun?

Die Anzahl der Abwasserkunden, die eine Abwassersammelgrube betreiben müssen, ist vergleichsweise gering.
Es wurde zeitgleich eine "Richtlinie zur Härtefallregelung bei der grundstücksbezogenen Abwasserentsorgung (Grundstücke mit abflusslosen Gruben) zum Schutze der Fließgewässer und des Grundwassers in der Landeshauptstadt Erfurt" beschlossen.
Zielstellung dieser Richtlinie ist die Begrenzung der finanziellen Belastung für die Eigentümer der ausschließlich zu Wohnzwecken genutzten Grundstücke.
Diese Richtlinie können Sie über die einschlägigen Informationsstellen der Stadtverwaltung einsehen. Die weitere Vorgehensweise soll im Amtsblatt veröffentlicht werden.

Bitte sehen Sie von Anfragen im Entwässerungsbetrieb ab; mit der Umsetzung wurde das Tiefbau- und Verkehrsamt der Stadtverwaltung Erfurt beauftragt (Tel.-Nr. 0361 655 3111).

6. Was kann ich als Betreiber einer Grundstückskläranlage gegen Mehrbelastungen durch die neue Beseitigungsgebühr tun?

Bei einem sachgerechten Betrieb einer Grundstückskläranlage und einer fachgerechten Entsorgung des Fäkalschlammes sollte eine finanzielle Mehrbelastung ausgeschlossen sein. Wenn diese dennoch eintritt, liegen vermutlich Fehler beim Betrieb der Anlage oder eine unnötig häufige Entsorgung des Fäkalschlammes vor.
Bei Fragen wenden Sie sich zur kurzfristigen Klärung bitte umgehend an das Sachgebiet Abwasserchemie des Entwässerungsbetriebes, Herrn Dr. Berthold, Tel.-Nr. 0361 655 3710.