Geschichte der Kläranlage Riethstraße
Durch die Aufnahme der Abwasserbereinigung im Jahr 1911 nahm Erfurt eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet ein. Statt wie damals verbreitet üblich dass Schmutzwasser aus den Kanälen unbehandelt in die Flüsse und Bäche zu leiten, wurde es schrittweise mechanisch und biologisch von Verunreinigungen befreit und so die Gewässer in und um Erfurt entlastet.
Obwohl bereits vor der Wende außer Betrieb genommen, ist die Kläranlage Riethstraße auch heute noch ein Beleg der über 100jährigen Tradition kommunaler Abwasserbehandlung in Erfurt.
Historischer Abriss der Abwasserbehandlung in Erfurt
1909
Im Erfurter Rieth wird mit dem Bau der Kläranlage begonnen. Im Zuge dessen wurden beachtliche Kanallängen verlegt und zahlreiche Sonderbauwerke wie Düker und Regenauslässe errichtet.
1911
Konzipiert für 120.000 Einwohner, wird die Kläranlage als mechanische Anlage in Betrieb gesetzt. Sie verfügt über folgende Anlagenteile:
- Rechen für manuelle Räumung mit Lohrenabfuhr, 3 m breit, 50 mm Stabweite
- 2 Sandfangkammern, je 3 m breit und 10 m lang
- 18 Emscherbrunnen (Doppelrinnen mit gemeinsamen Schlammfaulraum), je 9 m tief, 8 m Durchmesser
- 14 drainierte Schlammtrockenfelder, insgesamt 4.000 Kubikmeter
1921 bis 1930
Es entsteht ein Regenwasserrückhaltebecken, das 1930 ein Fassungsvermögen von 23.500 Kubikmeter erreicht.
1927
Der Bau einer Faulanlage wird durch Überlastung der Emscherbrunnen erforderlich. Der getrennte geschlossene Faulraum ist 12 m tief, misst 20 m im Durchmesser und hat einen Nutzraum von 2.700 Kubikmetern.
1929 bis 1931
Die biologische Reinigungsstufe entsteht als Belebtschlammanlage mit den Teilen:
- Belüftungsanlage mit Paddelrädern
- 6 ausgerundete Doppelrinnen von 18 m Länge, 5 m Breite und 2,5 m Wassertiefe
- 4 Nachklärbecken mit 12 m Tiefe und 5.000 Kubikmeter Inhalt
- Kapazität der biologischen Reinigungsstufe: 150 l/s Abwasser
sowie dem Maschinenhaus mit einem Abwasserpumpwerk für den Stadtteil Ilversgehofen, einer Gaskraftanlage zur Gasverstromung mit Abwärmeverwertungs- und Heizungsverteilungsanlage, Frisch- und Belebtschlammpumpen, Druckluftgebläse, Niederspannungsschaltanlage, Hochspannungsraum, Büro- und Sanitärräume sowie einem Labor.
1930
Ein Gasbehälter wird errichtet. Er verfügt über ein Speichervolumen von 1.200 Kubikmetern.
1931
Die Gaskraftmaschine mit 160 PS Leistung nimmt den Betrieb auf. Der Eigenbedarf an Elektroenergie wird damit weitgehend gedeckt.
1933 bis 1934
Die nach Inbetriebnahme der biologischen Reinigung eingetretene Überlastung des Faulraumes erfordert einen beheizbaren Neubau. Dieser hat einen Inhalt von 4.500 Kubikmeter sowie 6 Zellen mit einer Grundfläche von 10 × 10 m2 und 900 Kubikmeter Inhalt. Gleichzeitig wird der alte Faulraum zur Nachfaulung genutzt, die Trockenbeetfläche erweitert sich auf 7.100 Quadratmeter.
Durch die Montage einer zweiten Gaskraftmaschine mit 240 PS werden jährlich 1,2 Millionen kWh erzeugt.
1939 bis 1945
Der Personal- und Materialmangel im Zweiten Weltkrieg führen zu erheblichen Schäden an der gesamten maschinellen Einrichtung.
nach 1945
Mit Beginn der 70er Jahre befindet sich die Kläranlage Riethstraße bereits im bebauten Stadtgebiet. Hieraus resultierende Umweltbelästigungen sind nicht mehr vertretbar. Die Belastung der mechanischen Reinigungsstufe beträgt bereits 200 Prozent der projektierten Größe. Nur 20 Prozent des gesamten Abwasseranfalls können ganzjährig biologisch gereinigt werden. Am Standort Riethstraße existieren keine Erweiterungsmöglichkeiten. Die nördliche Ausdehnung der Stadt verhindert aufgrund der Topografie einen Freigefälleanschluss der Wohngebiete an die vorhandene Kläranlage.
1985
Die Kläranlage Riethstraße wird bis auf das Abwasserpumpwerk und den Greiferrechen aus dem Jahre 1939 stillgelegt.
1988
Die Kläranlage wird vollständig stillgelegt.
ab 1993
Der Abriss der Kläranlage beginnt. Unter der Nutzung des Baukörpers des Maschinenhauses erfolgt der Umbau zu einer Sportplatzanlage.
2004
Der Faulbehälter wird als letzter Anlagenteil abgerissen.